Smarte Halsbänder für Miezi: Wie Wearables für Haustiere Leben retten können – und wo sie versagen

Als die Diagnose „FIP“ kam, war es für eine Behandlung des kleinen Ragdoll-Katers bereits zu spät. Die viral verursachte „feline infektiöse Peritonitis“ hatte sich zu stark ausgebreitet. Seine Besitzerin hatte das noch ihn kein Jahr alte Katerchen zum Tierarzt gebracht, nachdem das früher unbeschwert hinter Hummeln her tollende Tier schleichend appetitlos und apathisch geworden war und es nicht mehr die Treppe zum Obergeschoss hinauf schaffte. Ihr blieb nur die schwere Entscheidung, das Tier einschläfern zu lassen, und der Wunsch, sie hätte die Krankheitsanzeichen früher bemerkt.
Die sind gerade bei Katzen notorisch schwierig festzustellen, weil sie nicht über Schmerzen oder Unwohlsein klagen, sondern sich bei Gesundheitsproblemen meist zurückziehen. Ihr Krankheitsverhalten lässt sich also von ihren ohnehin ausgedehnten Schlafperioden nicht immer gut unterscheiden.
Der Markt für Tracker für Haustiere erweitert sich
Nun aber sollen smarte Haustier-Gadgets melden, was die Lieblinge nicht verraten können und das im trubeligen Alltag leicht untergeht. Die Geräte sammeln Gesundheits-, Fitness- und Verhaltensdaten, zeigen auf dem Smartphone der Besitzer:innen Abweichungen von monatlichen Durchschnittswerten und sollen bei besonders signifikanten Änderungen Alarm schlagen.
Das japanische Unternehmen Rabo etwa bewirbt seinen Katzentracker „Catlog“ mit dem Slogan „Bemerken sie Krankheitsanzeichen bei Ihrer Katze früher“. Das als Halsband tragbare schmale Gerät zeigt per App, wann und wie lange ein Tier schläft und sich bewegt, dazu, wie oft es frisst, trinkt und sich putzt. Es will sogar unterscheiden können, ob Katzen nur scheinbar schlafen und in Wirklichkeit krankheitsbedingt lethargisch sind. Dazu testet Rabo gerade in der Beta-Version das Registrieren von Erbrechen. Bisher ist es nur in Japan und den USA erhältlich.
Das Unternehmen verkauft zudem eine flache, unter dem Katzenklo platzierbare Waage, die das Gewicht der Haustier-Lieblinge sowie die Häufigkeit und Art der WC-Gänge inklusive Urin- und Stuhlmenge überwachen. Mittels einer Künstlichen Intelligenz (KI) lerne das System das typische Verhalten der Tiere und könne mehrere Tiere in einem Haushalt weitgehend auseinanderhalten.
Rabo ist mit seinem Angebot nicht allein. Inzwischen können Besitzer:innen aus einer ganzen Reihe von Gesundheits-Wearables wählen. Dabei hat sich die Vielfalt der Funktionen auch erweitert: Früher beschränkten sich Haustier-Gadgets auf GPS-Tracker, die ausbüchsfreudige Hunde oder ungesehen in Nachbarschuppen geschlüpfte Katzen leichter wiederfinden halfen. Dazu gab es Katzenklappen, die nur Fellnasen mit eingespeicherten Chips und nicht auch den neugierigen Nachbarskater ins Haus ließen.
Rasant wachsende Nachfrage unter Haustier-Besitzer:innen
Der globale Markt für Haustier-Wearables belief sich 2024 nach Hochrechnungen des Marktanalyse-Unternehmens Fortune Business Insights auf 3,7 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr und soll sich bis 2032 auf 10,43 Milliarden US-Dollar fast verdreifachen. Produkte für Verhaltensanalyse und -kontrolle bilden dabei das viertgrößte Segment, während Wearables für medizinische Diagnosen und Behandlungen auf Platz 2 liegen, hinter dem Segment „Tracking und Identifikation“. Den deutschen Haustier-Wearables-Markt bezifferten Analysten von Grand View Research 2023 mit 181,2 Millionen US-Dollar und prognostizieren bis 2030 ein Wachstum auf 490 Millionen US-Dollar.
Allerdings sind nicht alle Daten gleich nützlich. Rabo zitiert dankbare Nutzer:innen, die ihr Tier auf Anraten der App zum Tierarzt brachten, der dann tatsächlich etwa Nierensteine fand. Andere Haustierbesitzer:innen, deren Liebling keine Krankheiten entwickelte, schauten nach wenigen Wochen kaum noch auf die App-Meldungen des Catlog-Halsbandes. Als etwa „The Atlantic“-Redakteurin Kristen Brown auf eine Meldung hin, ihre Katze Avalanche (Lavine) habe weniger Energie als üblich und sie ein Auge auf ihr Trink- und Essverhalten haben sollte, genauer nachsah, war der Grund für die Warnung banal.
Wenn der Tierarzt-Blick „Haben Sie sie noch alle?“ sagt
„Meine faule siebenjährige getigerte Katze hatte sich an diesem Morgen erst 45 Sekunden bewegt, im Vergleich zu einer ganzen Minute am vorherigen Morgen.“ Auf Anfrage habe Rabo nicht verraten, nach welchen Kriterien die KI Alarm auslöst. Als Brown den Tierarzt fragte, ob Avalanche vielleicht krank oder depressiv sei, weil sie im Vergleich zu anderen Katzen insgesamt weniger herumrannte und weniger aß und trank, musterte er sie nur mit „einem Blick zwischen amüsiert und ‚Haben Sie sie noch alle?‘“.
Hierzulande bietet etwa das österreichische Wearables-Unternehmen Tractive Halsbänder an, die aus der Aktivität und dem Schlaf der Tiere auf ihre Gesundheit schließen und ungewöhnliche Abweichungen von der Routine meldet. Seit Anfang Mai dieses Jahres erfasst das Halsband auch die Ruheherzfrequenz und Atemfrequenz bei Hunden. Die App weist immerhin darauf hin, dass die Werte von Tag zu Tag schwanken können und es erst bei einer anhaltenden Erhöhung oder Absenkung den Tierarzt fragen sollte.
Datenschutz bei den Haustier-Apps
Herzfrequenzmesser und andere Überwachungsgeräte machten vor allem zur Gesundheitsfrüherkennung „besonders bei Tieren mit erhöhtem Risiko oder bei bereits erkrankten Tieren“ durchaus Sinn, sagte Tierärztin Lisa Pinsenschaum der Tagesschau. Dennoch sei es angesichts der Interpretationsschwierigkeiten, bei all den Parametern wichtige Trends von unwichtigen zu unterscheiden, vielleicht sinnvoller, wenn die Daten direkt an die Tierärzt:innen übermittelt würden und die sich bei Grund zur Sorge bei den Besitzer:innen melden.
Hinzu kommen Bedenken über eine weitere Schattenseite der Haustier-Wearables. Die Gadgets erfassen nämlich auch Daten über Herrchen und Frauchen. Selbst wenn ein Gerät keine Ortserfassung macht, kann es unter Umständen über die zugehörige App auf dem Smartphone der Besitzer:innen die Adresse über die GPS-Position und die Anwesenheit auslesen. Nicht alle Hersteller schreiben das ins Kleingedruckte. Rabo gibt zwar zu, dass es Daten über die Online-Aktivität der Nutzer:innen erfasst und an Dritte weitergibt, mit dem fadenscheinigen „Ziel, dass App und Gerät ein Maximum an Nutzen für die Katzeneltern bieten“. Genaues Hinschauen lohnt sich also.